Seite 3 - Die Natur - das sind wir - Vortrag von Firos Holterman ten Hove
Wie öffnen wir unsere Herzen?
Grundsätzlich sagen die Sufis, dass die Öffnung des Herzens ein Naturphänomen ist, das nicht willentlich herbei geführt werden kann oder soll.
Was können wir tun? Wir können das, was Hazrat Inayat Khan an mancher Stelle als ”Verstopfung” bezeichnet, beseitigen. Wir können aufräumen, putzen, festgefahrene Gewohnheiten ablegen. Die Kernübung der Sufis nennt sich ”Zikr”. In Klang, Bewegung und Konzentration widmen sich die Sufis dabei der inneren Reinigung. Wir müssen uns verabschieden von heiligen Kühen und Glaubenssätzen. Wir müssen Meinungen über andere, uns selber und Gott ablegen. Wir müssen alteingeschliffene Verhaltensmuster hinter uns lassen. Je besser wir diese Arbeit verrichten, desto mehr kann die Natur sich in uns entfalten.
Die Bedeutung des Emblems des Sufi-Ordens ist: Ein Herz, das in der Lage ist, das göttliche Licht (Stern) zu empfangen (Mond), ist frei (Flügel).
Vom Weg des Lebens
Wir Menschen kommen aus der Natur und sollten uns der Natur wieder zuwenden.
Es gibt ein Sprichwort bei den Sufis, dass ”Gott im Felsen schlief, im Baum träumte, im Tier selbstbewusst wurde, aber dass Er im Menschen Sich selbst suchte und Sich selbst erkannte.”
Ein entsprechender Ausspruch, in einem Gedicht von Jelal-ud-din-Rumi, wurde auf dem Symposium der Stiftung Rosenkreuz in Osnabrück im Herbst 2008 von Herrn Friedrich zitiert. Rumi beschreibt in seinem Gedicht den Prozess, der stattfindet, nachdem wir Mensch geworden sind. Gewisse Bewusstseinszustände sterben in uns, um für andere Platz zu schaffen.
Nachdem wir unsere Tiernatur ausgelebt und sie bis in die Tiefe erkannt haben, werden wir unsere Pflanzennatur durchleben. Rumi nennt das unsere Engelseele. Dann sterben wir in unserer Pflanzennatur, um unser Gesteinswesen kennen zu lernen. Rumi nennt das ”Nicht-Sein”. In buddhistischer Terminologie sind wir dann im Bereich der überweltlichen Jhanas angekommen.
Auf diese Art und Weise durchschreiten wir die ganze Natur auf dem Weg zurück zur Quelle von allem, zu dem Einen.
Die verschiedenen Stufen in diesem Prozess findet man im Großen ebenso wie im Kleinen, in der Schöpfung als Ganzer so wie in jedem einzelnen Wesen. Es ist ein Prozess von ”Ent-Wicklung” und ”Ein-Wicklung”.
In jedem Übergang stirbt eine Lebensform, aber nicht das Leben selber. Das kann nicht sterben.
Um das genauer zu verstehen, rät Hazrat Inayat Khan uns, die Entwicklungsstufen im Pflanzenreich aufmerksam zu betrachten.
Auf diesem Mosaik einer persischen Moschee sehen wir in einem Bild alle Entwicklungsstufen einer Pflanze:
* Samen
* Keim
* Stengel, Blätter
* Blüten
* Früchte
* Samen.
Pflanzen folgen in ihrer Entwicklung den Gesetzmäßigkeiten des Schöpfungsvorgangs.
Hazrat Inayat Khan: ”Mit dem Gefühl des Ich-Seins zog sich die innewohnende Kraft des Absoluten sozusagen zusammen, in anderen Worten, konzentrierte sich in einem Punkt; auf diese Art und Weise formte die alles durchdringende Strahlung ihr Zentrum …
Als nächstes teilte dieses zentrale Licht die Existenz in zwei Formen, in Licht und Dunkel … Das Licht und Dunkel formten einen Akasha oder Asmam, eine ‚Mulde’.”
Die beiden Seiten der Pflanzen bedingen sich gegenseitig: ohne Wurzeln keine Blätter, ohne Blätter keine Wurzeln. Erfahrungen, Nährstoffe aus dem Dunkeln tragen zur Blattformung bei; Erfahrungen aus dem Hellen sorgen für Wurzelbildung. In der Mitte ist das Herz, ursprünglich der Keimpunkt. Wenn das Herz zu ist, kann die Polarität nicht funktionieren und ist kein Wachstum möglich.
Der Mensch funktioniert im Prinzip nicht anders als die Pflanze: In der Polarität zwischen Denken und Körper entfaltet sich der Mensch und kehrt er zu seinem Ursprung zurück. Das Zentrum dieses Lebensprozesses ist das Herz.
Lex Bos, der große anthroposophische Personal- und Organisationsentwickler, kam zum gleichen Modell in der dynamischen Urteilsbildung: Denken und Handeln, Kopf und Gliedmaßen bestimmen sich gegenseitig und sind die beide Pole des menschlichen Wesens, mit dem Herz in der Mitte .
Wie bei den Pflanzen die dunkle Seite von den Wurzeln gebildet wird, so wird bei den Menschen die unsichtbare Seite vom Denken gebildet. Die Blätter und Ranken der Pflanzen sind bei den Menschen der Bewegungsapparat.