Mensch und Erde

Firos Holterman ten Hove

Zitate von Hazrat Inayat Khan

 

Veröffentlicht vom Internationalen Sufi Orden im Januar 1984 zur Gründung von Ziraat in Deutschland

1978, also vor fünf Jahren hat Pir Vilayat in den USA neues Leben in den Orden des Ziraats geblasen. Der Grund für das Verkümmern von dieser fünften Aktivität des Sufi Ordens (neben esoterische Schule, Universellem Gottesdienst, Heilen und Bruderschaft) war die äußerst strenge Geheimhaltung die den Eingeweihten aufgelegt wurde.

 

Ziraat wurde im Sommer 1926 durch Hazrat Inayat Khan gestiftet als Anstoß für eine Mysterienschule worin die Rituellen auf die alten Landwirtschaftskulten zurückgehen. Die Symbolik des Pflügens, Sähens, Erntens. Das Erleben von den Elementen und den Gestirnen bestimmen die Formung des Eingeweihten. Bei der erwähnten Gelegenheit sagte Pir Vilayat: "Man könnte sagen dass Ziraat die Nachfolge der Freimaurerei für das neue Zeitalter darstellt. Die Zeit ist reif um zur Erde zurückzukehren; wir haben uns von der Erde verfremdet und Sie verschmutzt und darum ist diese spezielle Zeremonie von erneuter Bedeutung in unserer Zeit."

 

Die Konsequenzen von dieser neuen Orientation die meinem Gefühl nach so wichtig ist, sind soweit ich weiß noch nicht wirklich ausgearbeitet worden. Die Anweisungen von Hazrat Inayat Khan sind sehr rudimentär. Er diktierte fünf Lektionen an Siraj van Tuyll und hatte keine Zeit den Ziraat weiter zu entwickeln bevor er nach Indien ging. ich weiß nicht in wieweit Murshid das so deutlich gesagt hat, aber die Überlieferung will, dass der Ziraat eigentlich die Essenz der Sufi Botschaft ist, in der das wirkliche Geheimnis bewahrt wird, die Aufgabe unserer Zeit.

 

Ich will hier probieren ein Bild zu skizieren von den Konsequenzen, die die Lebenshaltung des Ziraat mitbringt, und inwieweit diese Haltung ein logisches Ergebnis ist von dem uns allen bekannten Sufi Gedankengut. Mir ist klar, dass so offenes Sprechen über Ziraat bei einigen auf Widerstand stoßen könnte, aber ich kann es mir nicht erlauben zu schweigen.

 

Warum nicht? Im Allgäu, wo ich im Moment lebe, ist zum Entsetzen der Bevölkerung die sich in einem der letzten unangetasteten Gebieten Deutschlands wähnte, festgestellt worden, dass ein Drittel der Bäume dabei sind zu sterben.

 

Einige der Bayerischen Seen sind zwar glasklar aber es leben darin keine Muscheln oder Fische mehr oder nur noch Miniaturgröße mit verunstaltetem Rückgrat und Fortpflanzungsorganen. Der Grund ist die Übersäuerung des Wassers.

 

Das international populäre Mittel Paraquat, das in einem Augenblick alles Unkraut verwelken lässt, wird momentan durch die biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft auf den Verdacht hin untersucht, dass es in einem lehmigen Boden so lang und fest gebunden wird, dass nach Paraquat-Gebrauch für einige Zig Jahren überhaupt nichts mehr wächst.

 

Seit Nov. '82 wird Frauen abgeraten länger als sechs Monate zu stillen wegen der hohen Verunreinigung in der Muttermilch, laut Senatskommission zur Prüfung von Rückstanden in Lebensmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Letztes Ergebnis des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit: z.Z. ist schon 8% des Ackerbodens so verseucht mit schädlichen Stoffen, dass keine Lebensmittel mehr angebaut werden dürften.

 

"It is Thee, Beloved, who I see in all names and forms." Die erste Reaktion die immer wieder bei mir aufkommt wenn ich neue Gegebenheiten über den Verlust des Lebens auf Erde lese ist ein schmerzliches Gefühl. Das Feuer das mein Leben antreibt ist mein Verlangen, meine Geliebte zu sehen. Und Murshid spornt uns an um unser Liebensvermögen zu steigern und unser Feingefühl zu schulen. Ausgehend von einem Menschen über die Menschheit zur gesamten

Schöpfung. Und es ist immer Gott, im Großen oder im Kleinen, den wir verehren. Das Gefühl von Schmerz das mich angesichts der Vernichtung der Schöpfung überkommt ist die Traurigkeit, meine Geliebte nie mehr sehen zu können: eine ewige Trennung.

 

"If a Sufi is asked what was the purpose of this creation, he will say that the knower, the only knower, wanted to know Himself.... Therefore the knower had to manifest Himself, thus becoming an object to be known. And by this knowledge the knower arrives at perfection.... He becomes conscious of His perfection. Therefore it is in the consciousness of perfection that lies the purpose of this whole manifestation."

 

Warum ist es so schmerzhaft von der Geliebten geschieden zu werden? Murshid würde sagen, dass Schmerz dadurch verursacht wird, dass eine Möglichkeit verloren geht, uns kennenzulernen. In unserem Verlangen, den Anderen kennen zu lernen, ist eine Kraft verborgen die das ganze Universum in Bewegung hält: das Verlangen von Gott sich selber kennen zu lernen. Die Botschaft die Murshid uns gebracht hat ist, dass die Zeit gekommen ist dass wir uns von der Einheit von Natur und Geist bewusst werden. Immer wieder weist er darauf hin, dass unsere Erfüllung in einer Vereinigung von Bewusstsein und lebendiger Natur besteht.

 

"He who arrives at the state of indifference without experiencing interest in life is incomplete and apt to be tempted by interest at any moment; but he who arrives at the state of indifference by going through interest really attains the blessed state.“

 

Was bedeutet es, unser Interesse zu leben? Überall um uns sehen wir, was für eine Verwüstung das heutige Interesse des Menschen für die Natur und seine Mitmenschen mit sich bringt. Wir zeigen nur Interesse auf Ego-Niveau. Und jeder der einmal verliebt gewesen ist weiß, dass die Geliebte stirbt wenn man sie besitzen will. Die Erde stirbt, weil wir sie besitzen wollen. Und dies ist keine theoretische Wahrheit, sondern ein Todeskampf der jetzt ausgetragen wird.

 

Unser Interesse für das Leben hat uns in die tiefsten Tiefen der Materie gebracht. Murshid sagt, dass wir den Fall aus dem Paradies nicht bereuen sollen. Es ist Teil des Lebens, es ist sozusagen an das Temperament des Liebenden gebunden, das er keine Ruhe hat bevor er die Tiefen durchforscht hat. Als Folge hiervon sehe ich, dass ein neuer Begriff von der Natur entsteht. Die Möglichkeit einer vollständigen Vernichtung durch ein Atomkrieg bringt ein neues Bewusstsein dessen was wir verlieren würden.

 

Wir Menschen sind die Augen Gottes, so lehrt uns Pir Vilayat. Durch unsere Augen sieht der Liebende seine Geliebte. Es gibt keine andere Augen auf der Welt die sie Wahrnehmen könnte. Die andere Seite dieser egofreien Wahrnehmung ist ein unpersönliches Handeln."In His Service is perfect Freedom": das ist der Schlüssel von Murshid für die neue menschliche Aktivität. Kraft und Einsicht gehen zusammen. So wie unsere Einsicht enorm gewachsen ist in diesem Zeitalter, so ist auch unsere Kraft gewachsen. Das würden wir uns realisieren müssen. In uns spiegelt sich die Kraft der Schöpfung. Also die neue Energie die wir in den Tiefen der Materie gefunden haben ist unsere eigene Kraft. Wir sind selber Kernenergie. Und die einzige Möglichkeit um eine Katastrophe zu verhindern besteht darin, dass wir uns Bewusstwerden, dass diese Energie nicht uns aber Gott gehört.

 

"The spiritual force that is pouring out on the world today is quickening every kind of seed in the human heart."

Es ist ein Paradox, dass der Menschliche Geist so explosiv gewachsen ist und in umgekehrten Verhältnis steht zu dem erschreckenden Rückgang der Fruchtbarkeit der Erde.

 

Prof. Rudolf Hoffman, Chef des Instituts für Zoologie und Hydrobiologie der Universität München: "Die Natur kann sich wohl regenerieren. Aber es dauert einige 100.000 oder Millionen Jahre. Und ich bin mir nicht sicher, dass es dann noch die Spezies ‘Homo Sapiens' gibt."

 

Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Wissenschaftler, der sich mit den Foigen der Wasserverschmutzung beschäftigt, zu einer solchen Konklusion kommt. Er lässt jedoch einen Gesichtspunkt außer Acht, nämlich den menschlichen. Was tun wir mit den Erkenntnissen und Gaben, die uns die Erde gegeben hat? Eine theoretische Möglichkeit ist, dass wir uns hiermit von der Erde emanzipiert haben und neuen Arbeitsfelder aufsuchen. Aber eine andere Möglichkeit wäre, dass der Mensch seine Realisation in eine neue Verantwortlichkeit bezüglich des Planeten Erde umsetzen würde.

 

"Gods message does not come only in words, what comes in words is small compared with the radiance the message brings to all things and all beings."

 

Murshid spricht hier von einem uns größtenteils unbekannten Potentials. Die Erde braucht jetzt den Menschen um weiter leben zu können. Die Kraft der Regeneration, die bis jetzt unabhängig vom Menschen funktioniert hat, wird gleichzeitig mit der Realisation der Botschaft zur menschlichen Verantwortung. Ein Teil Gottes wird Menschlich.

 

In einer neuen Verwaltung der Erde wird der Mensch weiter an der göttlichen Perfektion in extrovertierten Sinn arbeiten: Via das Im-Gang-setzen und Unterstützen von der belebenden Wechselwirkung zwischen Geist und Materie. Nach der Realisation der Einheit kommen wir also wieder in die Dualität, denn so wie Murshid sagt:"Life is differentiated by the pairs of opposites.“ Wenn wir das Spiel der Dualität ergründen und spielen lernen, ist es vielleicht möglich, dass ein differentiertes Leben auf Erde möglich bleibt.

 

Ein Zurück zur Natur in romantischem Sinn haben wir uns definitiv unmöglich gemacht. Allein durch die aktive Teilnahme des befreiten menschlichen Fühlen, Denken und Handeln kann die Erde ein Teil ihrer Fruchtbarkeit zurückgewinnen.