Seite 3 - Die Operationalisierung von Ziraat - Firos Holterman ten Hove
Ziraat ist also: - ein Gruppe von Menschen zu bilden, die nicht warten, bis eine Krise sie zwingt, ein Feld zu bearbeiten, sondern die von sich aus, ganz freiwillig, ihre von den Rhythmen der Natur losgelöste Freiheit aufgeben und dafür ein neues Glück und neuen Reichtum in einer neuen Verbindung finden.
In der Maßlosigkeit unserer industriellen Entwicklung haben wir Menschen unser Bewusstsein für die Empfindlichkeit des Lebewesens „Erde“ verloren. Vergewaltigt, zu Höchstleistungen gezwungen, missbraucht, liefert Mutter Erde denaturierte Produkte für das Fließband. Die Folgen des Einsatzes von Kunstdünger, Pestiziden und Schadstoffen sind weit verbreitet und alarmierend: gefährdete oder sogar ausgestorbene Spezies; gesundheitliche Probleme welche in Krebs kulminieren. Als Folge der Warnungen der kleinen Gruppe der Besser-Informierten, wurde jetzt ein uraltes Prinzip in ein modernes Konzept verwandelt: in der Ökologie entsteht ein neues Bewusstsein. Es ist dieses neue Bewusstsein welches Ziraat verkörpert.
(Pir Vilayat Inayat Khan, The Message, vol 7 no 5, May 1981)
Die Operationalisierung des neuen ökologischen Bewusstseins können wir nicht der kleinen Gruppe der Bauern überlassen. Wir sind alle aufgefordert, uns mit den Prozessen im Landbau auseinander zu setzen. Landwirtschaft muss das Thema für alle werden. Verkörperung eines Bewusstseins heißt: nicht nur zu fühlen und zu denken, sondern auch zu tun! Ziraat ist ein Körper von Menschen, die sich entschieden haben, umzusetzen, was wir bereits alle wissen (oder hätten wissen können). Rhythmus und Maß sind verwandte Begriffe. Maßlosigkeit ist der Industrialisierung inhärent: Es wird dort z. B. im 4-Schicht-Betrieb gearbeitet, es wird Tag und Nacht gepflügt, es werden Tomaten in Winter auf Steinwolle unter Glas gezüchtet usw. ...
Die moderne konventionelle Landwirtschaft basiert auf Vergewaltigung. Hätte Pir Vilayat dieses Wort nicht in dem Mund genommen, ich hätte gezögert, es zu verwenden. Der Historiker Frank Uekötter kommt in seiner gut 500 Seiten dicken Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft zur Schlussfolgerung, dass es im Grunde unfassbar ist, wie unsere Böden die Misshandlung überstehen und nach wie vor produktiv sind. Nur eine Mutter ist zu so einer Leistung im Stande! Wenn wir die Produkte aus dieser industriellen Landwirtschaft kaufen und verzehren, machen wir uns der Vergewaltigung mitschuldig! Dabei wurde in 2011 in der völkerrechtlichen Istanbul- Konvention das nicht einverständliche, sexuell bestimmte vaginale, anale oder orale Eindringen in den Körper einer anderen Person strafbar gestellt.
Wenn das „Lebewesen Erde“ als Person aufzufassen ist, ist die Aussaat genmanipulierten Maises Jahr für Jahr auf dem gleichen Acker ein klarer Fall von Vergewaltigung. Und genau dahin will Pir Vilayat uns führen. Er war in 1981 zutiefst beunruhigt über den sprunghaft gewachsenen Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden. Auf dem folgenden Bild ist zu sehen wie die weltweite Produktion seitdem bis 2000 verdoppelt wurde:
In 1981 warnte er vor Krebsgefahr bei der Anwendung. Mittlerweile ist dies wissenschaftlich bewiesen, aber die deutsche Regierung torpedierte ein europaweites Verbot von Glyphosat. Dabei ist dies wahrscheinlich gar nicht mal das gefährlichste Spritzmittel. Über auftretenden Genveränderungen durch Halmverkürzer (CCC) schweigt die Öffentlichkeit. Das ökologische Bewusstsein in der Bevölkerung wächst unaufhaltsam. Aber wird die Weltgemeinschaft je mit den enormen Schäden fertig werden können? Wie schaffen wir es, nicht zu verzweifeln? Nur wenn wir unsere spirituelle Schulung ernst nehmen, werden wir einen Ausweg finden. Murshid beschreibt diesen Ausweg am Beispiel von den Fähigkeiten von Orpheus.
1. „Orpheus liebte Eurydice, eine Frau aus heruntergekommenen Verhältnissen. Dies zeigt, dass Liebe sogar versucht, eine Seele, die so tief in die irdische Tiefe gefallen ist, zu retten.“
Es braucht für die Heilung der Erde eine große Liebe. Im Inayatiyya-Orden finden wir alle Hilfestellungen, unsere Liebe auszuweiten. Wie gestalten wir diese Liebe zur Erde, wo doch die meisten von uns in der Stadt wohnen?
Antwort: Wir müssen uns mit den Feldern verbinden.
2. „Und dann wusste Orpheus, dass Eurydice zur anderen Welt entführt wurde...“
Ein tief-verankertes intuitives Wissen ist notwendig. Wie können wir das Unsichtbare schauen? Im Inayatiyya-Orden lernen wir, die Wirkung der Elemente zu verstehen. Auf Arabisch heißt Orpheus Arif: der der weiß. Die Gesetzmäßigkeiten von Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther in der Landwirtschaft auf die Spur zu kommen ist unsere Aufgabe.
3. "und er fing an ein Lied zu singen, mit dessen Kraft er die Götter der Unterwelt für sich einnahm. Und das zeigt uns welche Kraft das Wort hat, welche Kraft Klang hat, und welche Anziehung er auf die kosmische Kräfte ausübt…“
Ein entwickelter Sinn für Musik und Klang ist das Markenzeichen des Chishti-Ordens. Die Anwendung in der Landwirtschaft steht erst am Anfang. Ausgelaugte Böden und degenerierte Pflanzen mit Klang und Mantras zu heilen: ein völlig neues Arbeitsfeld.
4. „Orpheus bezauberte die Götter der Unterwelt mit seinem Gesang und sie gaben ihm das Versprechen, „Eurydice wird Dir folgen, sie folgt Dir. Die einzige Bedingung ist diese, dass Du nicht zu ihr zurückblicken darfst. ...
...die Entwicklung von Glauben ist Vertrauen in das Unsichtbare, welches wir Vertrauen in Gott nennen: dass auch wenn Du keine sichtbare Anzeichen von etwas das geschehen sollte vor Dir hast und trotz dessen denkst: „Ja, es muss geschehen, es wird geschehen, es muss ganz sicher geschehen“ und Du kein Zweifel hast, dann vertraust Du in Gott….“