Seite 5 - Die Operationalisierung von Ziraat - Firos Holterman ten Hove

Genauso, wie der physische Körper kompostiert und dekompostiert, verhält es sich mit dem mentalen Körper. Hazrat Inayat Khan: „Wenn die Seele ihre mentale Hülle ablegt, zersetzt sich diese, wie der irdische Körper, auf der Ebene, wo sie hingehört. Es ist nicht der Körper, welche der Kraft hat, sich aufrecht zu halten; die Standfestigkeit gehört zur Seele. Die Dekompostierung des mentalen Körpers wird dafür gebraucht, neue Körper in der geistigen Welt zu formen, aber nicht auf der groben Art, wie es mit dem irdischen Körper geschieht; auf einer viel feineren Art, da dieses ein feinerer Körper ist. Da steckt Freude in dem Kompostieren und Dekompostieren dieses Körpers...“ Murshid beschreibt hier die Intelligenz der natürlichen Prozesse. Pflanzen arbeiten in ihrem Leben und Sterben kontinuierlich daran, ihre Erfahrungen sinnvoll zu gestalten und für eine nächste Wachstumsphase diese Erfahrungen gewinnbringend ein zu setzen. Auch für sie gilt: dem Einen entgegen, der Vollkommenheit der Liebe, der Harmonie und der Schönheit, dem einzig Seienden. Die Seele der Pflanze ist mit dem Ideal der Pflanze gleich zu setzen. In jedem Lebewesen steckt eine Seele, ein Ideal.

 

Das Denken der Pflanze steht in Dienst der Erreichung des Ideals. Murshid antwortet auf die Frage, ob der geistige Körper sich ändert: “Ja, wenn Veränderung gewünscht wird; wenn die Seele es wünscht, kann diesen Körper nach ihrem Ideal geändert werden….; aber wir müssen uns daran erinnern, dass nach ihrer Natur die Seele an ihrer Form hängt und daran festhalten will und dass sie es normalerweise nicht mag, anders zu werden.”

 

In freiwillige Zusammenarbeit mit dem Menschen können Pflanzen neue Eigenschaften entwickeln. Wenn Bauern ein Gefühl für den Klangkörper der Pflanzen entwickeln, können sie ihr spezifisches Denken auf der Spur kommen und mit den Pflanzen neue Lösungen und neue Seinsweisen entwickeln. Der Freund und Zeitgenosse von Hazrat Inayat Khan Luther Burbank, ein berühmter Pflanzenzüchter, hat dies auf erstaunlicher Art unter Beweis gestellt. Seine neue Kakteen-Sorten zeigten zum Beispiel, dass sie durchaus in der Lage sind, ohne Stacheln in Erscheinung zu treten. Pflanzen aber zu zwingen, sich zu verändern, so wie das in der Gen-Manipulation geschieht, beschädigt diese Lebewesen in ihrer Seele, weil ihre Freiheit geraubt wird.

 

Selbstverständlich stellt die menschliche Intelligenz und den menschlichen Willen einen weiteren Schritt in der Evolution dar. Wie Hazrat Inayat Khan sagt: „die Kreativität des Menschen ist eine Erweiterung der göttlichen Kreativität“, aber wir müssen lernen, unseren eigenen Willen mit diesen natürlichen Kräften ab zu stimmen. Das ist wie beim Surfer, der die treibende Kraft der Welle dafür her nimmt, auf die nächste Welle zu springen, kurz bevor der vorhergehende sich zurückzieht. Wir können die großzügigen Gaben der Natur so erschließen, dass sie in noch größerem Reichtum an Fülle und Formen aufgeht, ohne sie zu denaturieren, genauso wie ein Pferd schneller läuft, wenn es geritten wird, vorausgesetzt, der Reiter tötet nicht den Spirit des Pferdes.

(Pir Vilayat Inayat Khan)

 

Pflanzen arbeiten gerne mit uns Menschen zusammen. Sie können mit uns zusammen Ziele erreichen, welche sie auf sich selber gestellt nie schaffen könnten. Es sind noch ungeahnte Entwicklungen möglich, wenn wir Partnerschaftlich mit den anderen Naturreichen umgehen.

 

Wenn wir nur wussten, welche Intelligenz, welche Emotion, welche Schönheit hinter der spektakuläre Entfaltung des Lebens auf dem Planeten liegt, würden wir realisieren, was wir verpassen, wenn wir die Natur dadurch reduzieren, dass wir sie als ausschließlich Materie betrachten. Soviel wird gewonnen, wenn wir diese Welt der Seele entdecken und kontaktieren, welche ihre Entsprechung in uns selber hat und durch die Formen und Verhaltensweisen der Natur als das ungeschriebene Gesetz der Natur zu uns kommt. Die stille Stimme der Göttlichen Anwesenheit, der Göttlichen Botschaft, wird durch allen Wesen hörbar, da diese ihre Namen flüstern als jeweiligen Beitrag zur Symphonie der Sphären.

(Pir Vilayat Inayat Khan)

 

Jede Pflanze hat ihre Entsprechung in uns. Jede Blume und Baum stellt eine unverwechselbare Eigenheit in einer unnachahmbaren Mischung von Qualitäten dar. Der heutige Verlust von so vielen Spezies macht unendlich traurig. Aber sicher kann der Bauer der Zukunft dazu beitragen, das Blatt zu wenden und statt immer weniger Diversität, die Vielfalt auf seinen Acker zu vergrößern. Die Kunst und Wissenschaft im Sufismus, sich in die göttlichen Qualitäten zu vertiefen, ist eine hervorragende Herangehensweise und Vorbereitung für den Pflanzenzüchter der Zukunft. Es gibt aber so gesehen nicht 99 Wazaif, sondern so viele wie es Lebewesen gibt.

 

Das ist die Bedeutung von Ziraat und deswegen ist es geeignet für diejenigen welche die notwendige Feinfühligkeit mitbringen und sich leiten lassen von einem Respekt für die Natur als ein Wesen, worin die Göttliche Anwesenheit und die Göttliche Intention entdeckt werden.

(Pir Vilayat Inayat Khan)